drei theaterfrauen, drei theatergenres, drei medeas

Die Trilogie widmet sich in der Spielzeit 21_22 medea, einer mit Emotionen, Bildern und Interpretationen aufgeladenen mythologischen Frauenfigur. In der Oper, im Schauspiel und im Tanztheater beschäftigen sich drei Frauen, die Regisseurinnen Beka Savić und Asli Kişlal sowie die Choreographin Marguerite Donlon, mit dem seit über 2000 Jahren immer wieder faszinierenden Stoff und verraten im Folgenden erste Gedanken und Ansätze zu »ihrer« Medea. Übrigens: Alle drei Theaterabende spielen, wie das Konzept der Trilogie es vorsieht, im gleichen Bühnenbild – entworfen von einer weiteren Frau im Team: der Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Siegrot.

beka savić / oper
Medea ist Mutter. Eine, die ihre Würde, Emotion und Liebe verteidigt. Sie ist fremd, verletzt, stolz, wütend, einsam, fürsorglich und temperamentvoll. Und für diese neue Gesellschaft, in der sie nun lebt, ist sie von all dem einfach zu viel. Sie ist unangepasst, ungezügelt und wird dafür gehasst. Das Privileg des Empfindens hat man nur, wenn man der Umgebung nicht aufstößt. Also darf sie nicht sein. Emotionen, Würde, Muttersein, alles, was sie ausmacht, wird ihr nicht ermöglicht. Für Medea ist schnell sichtbar, dass ihre Kinder verloren sind, sobald sie nicht mehr bei ihr sind. Sie erwartet ein weitaus schlimmeres Schicksal als Medea selbst. Dadurch ist dieses Morden, so wahnwitzig das klingt, zum Schutz der Kinder. Wie weit geht eine Mutter, um ihre Kinder vor einem nicht lebenswerten Leben zu schützen? Rettet sie ihre Kinder, indem sie sie tötet? Ich finde es spannend, gerade heute, hier und jetzt, der Frage nachzugehen, wie weit man getrieben werden muss, wie schlimm es werden muss, damit das die einzige Lösung ist.

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asli kişlal / schauspiel
Wie viele Medeas gibt es denn? Ist Medea die, die wir von Euripides kennen, die psychologisierte Medea? Oder die von Grillparzer, die Fremde? Welche Medea hat Anouilh erschaffen, die existenzialistische? Oder Christa Wolfs Medea, die Kämpferin, die vieles, das im Verborgenen liegt, ans Licht bringt? Jede Zeit schreibt ihre eigene Medea. Und oftmals ist Medea die Projektionsfläche für die Ängste einer Gesellschaft, in einer engen Periode. Wie können wir heute die Medea spielen, deren Autor Corneille die Empörung über seine Titelfigur Medea schon im Vorwort ausdrückt, indem er sie mit dem Bild der hässlichen Frau vergleicht, deren Handlung nicht nachahmenswert sei? Welche Medea wollen wir heute erzählen? Vielleicht – frei nach der Literaturtheorie des französischen Philosophen Roland Barthes gesprochen – eher die Medea, die nach dem »Tod eines Autors« die »Geburt der Leser_in« ermöglicht in der »Freiheit der Interpretation«? Vielleicht kann unsere Medea uns mit der Realität konfrontieren, mit einer Ansprache an ihre Kinder, die so beginnt: »Mein Leben, meine Kinder … Man trennt uns … Sie (Männer) trennen uns … Denkt dran, ich werde euch immer lieben … Glaubt nicht an das, was die Leute über mich erzählen werden … Die Mörderin: ›Medea, ist sie nicht die, die ihre Kinder umgebracht hat …?‹ Reichte nicht das Ableben meines Vaters, meines Bruders, des Königs, seiner Tochter, meines Mannes, was haben sie mir alles zugeschrieben? ... Aber nicht genug. Es musste dramatischer sein. Sie, das Böse ... Es ist nicht genug, also muss sie auch die Kinder töten! ... Das tut weh … Das bleibt im Gedächtnis. Jahrhundertelang …«.

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marguerite donlon / tanz
Unsere Medea ist eine Person die man kennt, sie ist real, sie ist eine Frau. Was sie durchmachen musste, ist für viele Frauen nicht weit von ihrer heutigen Realität entfernt. Medea ist sich ihres Wertes ganz klar bewusst und sie reagiert sehr radikal, als sie betrogen wird. Gleichzeitig ist sie eine Gebende, sie ist loyal, sie erwartet aber im Gegenzug dasselbe von anderen. In dem, was mit ihr geschieht und in ihrem Charakter stecken viele Parallelen zu unserer heutigen Zeit – außer natürlich, dass Frauen aus ihren Notlagen nicht einfach in einem goldenen Wagen davonfliegen können. Deswegen kämpfen wir weiter für die Rechte der Frauen.

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