eitle gockel und bescheuerte nazis

Jörg Gade war in den 1990er-Jahren Chefdramaturg am damaligen Stadttheater, von 2007 bis 2020 Intendant des tfn. Nun kehrt er an seine alte Wirkungsstätte zurück - als Gastregisseur für die Komödie sein oder nichtsein. Dramaturgin Cornelia Pook hat sich mit ihm zum Gespräch getroffen.

↗ Viele Mitarbeitende kennen dich noch als Intendant (und du sie), es wird für dich auch viele neue Gesichter geben. Wie fühlt sich diese Rückkehr an?

Ich freue mich natürlich auf das Wiedersehen, aber vor allem bin ich neugierig auf das, was sich geändert hat. Wo haben sich Abläufe, Regeln, Gewohnheiten verändert? Ich konnte das schon bei der Modellberatung erleben (bei der der Bühnenbildentwurf das erste Mal den Abteilungen vorgestellt wird): Viele vertraute, aber auch neue Gesichter. Vor allem aber musste ich mir eingestehen: »Wow, dieser Termin ist strukturierter und professioneller geworden!«

↗ Ich weiß, du magst komödiantische Stoffe im Theater, hast in deinem Regieleben - neben klassischen und modernen Dramen - immer wieder auch Komödien inszeniert. Warum ist sein oder nichtsein deiner Ansicht nach eine gute Komödie?

Zunächst klingt der Stoff überhaupt nicht nach Komödie, denn die Geschichte spielt 1939 und 1940 in Warschau, also zur Zeit des Überfalls Nazi-Deutschlands auf Polen. Aber Ernst Lubitsch, dem Regisseur des Hollywood-Films aus dem Jahr 1942, gelingt es, sowohl die notwendige Ernsthaftigkeit als auch ganz viel Komik zu erzeugen. Im Grunde sind es gleich drei Komödien: Erstens eine klassische Hahnrei-Komödie: Der Schauspieler Josef Tura, ein ziemlich eitler und eifersüchtiger Gockel, wird regelmäßig von seiner sexuell sehr selbstbewussten Frau mit jüngeren Verehrern betrogen. Dann die Theaterklamotte, die davon lebt, dass sich unser Berufsstand über sich selbst lustig macht. Die Eitelkeiten, die Egozentrik, das Ringen um die beste und größte Rolle - all das wird überspitzt und sehr witzig dargestellt. Und drittens das Widerstandsdrama: »Die Macht, und zwar jede Macht, fürchtet nichts mehr als das Lachen.« hat Dario Fo gesagt. Und Lubitsch stellt die Nazis als extrem doof dar. Ein bescheuerterer Nazi als Gruppenführer Erhardt wurde wohl nicht erfunden. Und auch sein Adjutant Schulz ist nicht die hellste Kerze auf der Torte. Aber sie sind auch gefährlich: Erhardt ist ein Sadist, der ohne zu zögern tötet, aber gleichzeitig stolpert er ständig über seine Überheblichkeit und kann so leicht von der Theatergruppe ausgetrickst werden. Zum Widerstandsdrama gehört auch der Sieg der Schwachen über die Mächtigen. Wie eine Theatergruppe, mehr oder weniger zufällig, zum Teil des Widerstands wird und es ihnen gelingt, mit den Mitteln des Theaters, mit Schauspielkunst, Kulisse und Mastix die Besatzungsmacht auszutricksen, auch das erzeugt Komik.

↗ Viele kennen den Film von Ernst Lubitsch aus dem Jahr 1942. Wie stark ist die Stückfassung am Film orientiert?

Wie bei jeder Theateradaption von Filmstoffen mussten Personen und Schauplätze reduziert werden, aber es ist dem Autor Nick Whitby gelungen, sowohl den Liebhaber_innen des Films eine Wiederbegegnung mit der Geschichte und ihren Gags zu bieten als auch allen anderen eine schlüssige, vergnügliche Geschichte.

↗ Was kannst du schon über Bühnenbild und Kostüme verraten? Und gab es bei der Ideenfindung spezielle Herausforderungen?

Das Stück erfordert schnelle Wechsel von Schauplätzen und Anna Siegrot, die tfn-Ausstattungsleiterin, hat dafür pfiffige Klapplösungen entwickelt. Da viele Szenen in einem Theater spielen, ist das Bühnenbild auch eine Hommage an das Theater, wir wollen nicht verstecken, dass es eine Kulisse ist.

↗ Warum wird sein oder nichtsein ein lohnenswerter Theaterabend?

Alle, die turbulente Komödien mit ernstem Hintergrund mögen, werden ihren Spaß haben!